Das “Finde den Fehler” – Spiel
“Ich kann die Schritte nicht weiterschreiben, weil mein Sponsor aus einer anderen Generation kommt und meinen Vibe nicht versteht.”
“Ich kann meine Abschlussarbeit nicht fertig schreiben, weil irgendwas stimmt nicht mit mir oder der Art wie ich mein cleanes Leben lebe.”
“Im Leben treffe ich auf Widerstände, ich wende mich ab von NA, denn ich bin durch Reha und nicht durch NA ursprünglich clean geworden und darum komme ich auch allein zurecht. Außerdem sind da so viele wahnsinnig.”
“Ich erforsche permanent die anderen Schwestern und Brüder im Programm auf ihre Bereitschaft, die Schritte zu schreiben. Je mehr Indizien ich finde, dass es auch “ohne” geht, desto leichter fällt es mir in Untätigkeit zu verharren.”
Diese inneren Dialoge sind mir in letzter Zeit über den Weg gelaufen. Sie sind wie ein Spiel, bei dem es darum geht, den “Fehler” zu finden. Denn ist dieser erstmal gefunden, so scheint es legitim sich seiner Verantwortung nicht stellen zu müssen.
Es wirkt so, als ob die oben genannten Beispiele unterschiedliche Probleme darstellten. Doch das täuscht. Schon die Präambel sagt auf Seite 3: “Durch unsere Unfähigkeit, persönliche Verantwortung zu übernehmen, schufen wir letztendlich unsere eigenen Probleme.”
Es handelt sich also um geübtes Verhalten. Während Nichtsüchtige bei steigendem Druckniveau aktiv werden, verharrt der Süchtige untätig und verschafft sich Erleichterung durch Konsum. Aber was ist, wenn der Konsum nun keine Option mehr ist?
Dann liegt die Antwort auch direkt bereit, ohne in Literatur abtauchen zu müssen.
Seite 5 der Präambel sagt:
“Etwas steht unserer Genesung mehr im Wege als alles andere, und das ist eine gleichgültige oder intolerante Einstellung gegenüber spirituellen Prinzipien. Drei davon sind Ehrlichkeit, Aufgeschlossenheit und Bereitschaft. Sie führen uns auf den richtigen Weg.”
In der Anwendung auf die 4 Beispiele von oben bedeutet das:
– Ich gebe ehrlich zu, dass ich “vermeide” weil ich mich der Verantwortung nicht stellen will. Ich möchte nicht mit meinem Sponsor in Kontakt gehen. Ich möchte keine Abschlussarbeit schreiben. Ich möchte mich den Widerständen des Lebens nicht stellen. Ich möchte die Schritte nicht schreiben.
– Ich bin aufgeschlossen gegenüber den Vorschlägen meines Sponsors und den Schwestern und Brüdern in NA. Ich ziehe Ratschläge ernsthaft in Betracht und mache mich bereit, aktiv zu werden.
– Ich bin bereit und darum setze ich mich hin und schreibe Schritte bzw. Abschlussarbeit. Ich trete in Kontakt mit meinem Sponsor und vertraue auf seine Erfahrung. Ich stelle mich den Widerständen des Lebens und bleibe in der Gemeinschaft, während ich nach Lösungen suche.
Die Gemeinschaft ist ein Ort der Geborgenheit, des Wissens und der Genesung. Es ist immer einfacher mit NA als ohne. Die Handlung selbst, das Tätigwerden hat eine erlösende, heilende Komponente und ist das Gegenteil von Sucht.
Gespräch, Gebet und Meditation helfen uns dabei, die spirituellen Prinzipien umzusetzen anstatt nach “Fehlern” zu suchen.
Anonym