Was mich an den Schritten stört
…na, das ist doch mal ein provokanter Titel, oder?
Tatsächlich gibt es aber sehr, sehr wenig, was mich an unserem Programm stört.
Alles andere wäre auch ziemlich abwegig, denn ich verdanke neben dem direkten Kontakt mit Euch auch dem NA-Programm und den darin enthaltenen Schritten schlicht und ergreifend mein Leben.
Tatsächlich finde ich nach meiner nun schon etwas längeren Cleanzeit das Programm ebenso überwältigend, beeindruckend und einzigartig wie ganz am Anfang.
Schritt 1 ließ und lässt mich den aussichtslosen Kampf gegen meine Sucht endlich aufgeben. In den Schritten 2 und 3 lernte ich meine höhere Macht kennen. Schritt 10 war mir sehr früh sehr wichtig, denn die täglichen Fehler, die ich wie jeder andere Mensch begehe, waren oft Auslöser für Suchtdruck. Schritt 4 zeigte mir viel über mich selbst. Und auch die anderen Schritte haben mein Leben enorm verändert.
Also habe ich alles andere als Grund, undankbar zu sein oder zu „meckern“.
Das ist aber auch nicht die Intention, diesen Beitrag zu schreiben.
Stattdessen glaube ich, dass das Programm dem Wesen nach extrem gut und hilfreich ist.
Bei der Formulierung aber stören mich ein paar wenige Dinge.
Der erste Punkt, der mich stört, ist die Zeitform im ersten Schritt.
Viele von uns können ihr Leben nach längerer Cleanzeit tatsächlich meistern.
Aber haben wir wirklich Macht gegenüber unserer Sucht gewonnen, auch nach langer Cleanzeit?
Ich kann nur für mich selbst sprechen, aber ich fühle mich meiner Sucht gegenüber heute noch genauso machtlos wie vor vielen Jahren, als ich clean wurde.
Warum also die Vergangenheitsform – wir gaben zu, dass wir unserer Sucht gegenüber machtlos waren – in Schritt 1? Besser fände ich die Gegenwartsform, denn das würde meiner Meinung nach besser unterstreichen, dass wir machtlos bleiben, und nur eine höhere Macht die Fähigkeit hat, uns clean zu halten.
Wir gaben zu, dass wir unserer Sucht gegenüber machtlos sind und unser Leben nicht mehr meistern konnten.
Das zweite, was mir immer wieder aufstößt:
Warum das persönliche Fürwort „Er“ für Gott in Schritten und Traditionen?
Das lässt alle Außen vor, die an eine Göttin oder mehrere Götter/Göttinnen glauben, oder keinen „persönlichen“ Gott haben.
Es würde ebenso gut funktionieren, die Stellen, an denen das Fürwort benutzt wird, einfach durch das Wort „Gott“ zu ersetzen.
Wir trafen eine Entscheidung, unseren Willen und unser Leben der Fürsorge Gottes, so wie wir Gott verstanden, anzuvertrauen.
Eine der großartigsten Dinge, die ich in den Meetings erfahren durfte, ist dieses „wie wir Gott verstanden“. Diese Freiheit, meinen Gott selbst zu wählen, hat mir den Glauben – und damit mein Clean-sein – überhaupt erst ermöglicht. Und der Frieden, den ich zwischen den vielen, vielen verschiedenen Glaubensrichtungen und -formen unserer Mitglieder erlebe, macht mich glücklich.
Warum sollen wir dies durch das persönliche Fürwort „Er“ verwässern?
Mag sein, dass das alles gar nicht so wichtig ist; aber vielleicht ein nützlicher Denkanstoß.