Der Begriff “Würde”
Der Begriff “Würde”
ist ein Wort, das ich überraschend selten bei NA gehört oder gelesen habe.
Ich habe mal den Basic Text per Textverarbeitung durchsucht – ich habe dieses Wort nur in Bezug auf die Gruppe gefunden.
Mir selbst erscheint dieses Wort so natürlich.
Schon als Kind kannte ich das Wort sehr gut.
Und ich empfand es sehr intensiv, als sie mir genommen wurde.
Stück für Stück, immer mehr, bis nichts übrig blieb.
Ich war zu klein und schwach, um mich zu wehren.
Und dann, als ich weiter aufwuchs und erwachsen wurde, verhielt ich mich dementsprechend.
Würdelos.
Würdelos in der Jagd auf Drogen, würdelos in meiner Behandlung anderer, würdelos mir selbst gegenüber.
Würdelos unzuverlässig, würdelos in meiner Kotze, würdelos auf der Parkbank.
Mit dem Ausdruck “Geistige Gesundheit” kann ich gar nicht so viel anfangen.
Das klingt so anspruchsvoll für mich. Wer ist denn geistig wirklich gesund?
Ist es geistig gesund, mit unserer Welt so umzugehen, wie wir fast alle es tun?
Würde ist für mich ne Nummer kleiner als geistige Gesundheit, aber viel greifbarer.
Was genau ist Würde für mich?
Dieses ganz grundlegende und selbstverständliche Gefühl, ok zu sein als einer von uns Menschen.
Einiges meiner Würde habe ich zurückbekommen, besonders mein Umgang mit anderen Menschen ist so viel besser geworden.
Ich bin mittlerweile seit 25 Jahren glücklich verheiratet. Und eine Grundvoraussetzung dafür war, dass ich meine Würde zurückbekommen habe. Ich wusste, dass ich mich schützen und zurückziehen würde, sollte ich verletzt werden. Verletzt zu werden, kann niemand verhindern. Aber meist besteht die Möglichkeit, die Würde zu wahren. Das habe ich gelernt und konnte mir vertrauen.
Betrügst Du mich einmal, Schande über Dich. Betrügst Du mich zweimal, Schande über mich.
Gelernt habe ich auch, dass meine Frau Scheiben einschlagen und Telefonbücher zerreissen kann, und ich auch massive Schränke umgeschmissen bekomme.
Aber nicht ein Mal, nicht ein einziges Mal haben wir uns in unseren gelegentlich durchaus sehr heftigen Streits jemals ein ernstgemeintes Schimpfwort an den Kopf geworfen.
Oder eine Herabsetzung als ganzer Mensch. “Du bist …”.
Auch das habe ich gelernt. Nicht weniger entwürdigend als selbst verletzt zu werden, ist es, andere zu verletzen.
Ich bin glücklich und dankbar, dass dieser Teil meiner Würde wiederhergestellt ist.
Doch in manchen anderen Dingen verhalte ich mich nach wie vor würdelos.
Ich bin meist nicht gut zu mir.
Ich lebe im Gerümpel, obwohl ich mir leicht etwas besseres leisten könnte.
Ich verurteile meine Arbeit als ungenügend, trotz massiver Rückmeldung anderer, dass meine Arbeit gut ist.
Es ist wohl eine Lebensaufgabe.
Aber ich werde weitermachen, ich werde Hilfe suchen und annehmen und nach Möglichkeit auch geben.
Ich bin auf dem Weg.