Langeweile gestern und heute
Natürlich konnte ich das nie zulassen früher, war schnell und unruhig in allem. Immer wusste ich mich irgendwie zu beschäftigen und fand das auch ganz wichtig für mich. Dass ich eher auf der Flucht war vor mir selber, war mir nicht annähernd klar. So habe ich bis in die 90er Jahre hinein noch damit geprahlt, jeden Film gesehen und am besten auch kopiert zu haben.
Dementsprechend hing in meiner Stube tatsächlich ein Poster mit ´ner großer Wumme von Jean-Paul Belmondo samt seinem Antlitz. Auch wenn ich Gewalt damals schon eher nicht mochte (vielleicht war es auch Feigheit), eher schon Gerechtigkeit oder auch Rache? So war ich eben.
Die Angst irgendetwas Wichtiges zu verpassen war jedenfalls riesig. Wie in dem Track „Paul ist tot“ von den Fehlfarben, das zu der Zeit in meine Ohren klang. Es folgten „anspruchsvollere“ Filme, auch Dramen, Science-Fiction und wie die Welt auch sein könnte. Dass ich selber auch etwas ändern oder es sogar von Belang sein könnte, wolle ich nicht wahrhaben. Noch waren die anderen schuld an allem und ich das arme Opfer.
Ich hielt krampfhaft fest, an Dingen wie Filmen, Büchern, Platten, CD´s, Magazinen, Stereoanlagen; ebenso an Menschen, Vorstellungen und Meinungen. Ich verhielt mich besserwisserisch, kämpferisch. Tatsächlich konnte ich clean werden, jedoch mit meiner Sammel-Leidenschaft war es noch nicht vorbei.
Irgendwann klangen dann Sätze an mein Ohr, ich könne mein inneres Loch und den uralten Mangel nicht stopfen mit äußeren Dingen. Wumm – das saß! Umsetzen konnte ich es noch lange nicht, denn da war noch so viel Angst in mir.
Diese Angst anzunehmen – in meinem täglichen Leben – das durfte ich mit kleinen Schritten lernen.
Ganz langsam lernte ich mich wirklich anzuvertrauen und einen Glauben zu entwickeln. Das war nicht aufgesetzt, wie vorher alles in meinem Leben, sondern fühlte sich echt und nahrhaft an, das was meine Seele so lange gesucht hat. Mit dieser Kraft konnte ich dann nach und nach alles auf den Tisch packen, was mich geplagt hatte, ebenso wie meine Missetaten, die noch nicht bekannt waren.
Wow, ich erlebte Gefühle von Freiheit und Freude, wie ich sie kaum noch ahnte, sodass ich mich weiter und tiefer einlassen konnte, auch lange verdrängte Gefühle zu erfahren. Gott hat Einzug gehalten in mein Leben, nachdem ich ihn darum gebeten hatte.
Ohne diesen tiefen Glauben, den ich in langen und dunklen Abenden in mir selbst wiederfinden durfte, hätte ich all den Krisen, Konflikten und Herausforderungen – in mir und im Außen – nicht standgehalten; sie nicht überwunden oder ausgehalten.
Klar tauchen ab und an Zweifel, Unruhe, Kopfkino auf. Ich weiß aber auch, dass ich es selbst bin, der Verantwortung übernehmen darf. Dabei hilft mir der lebendige Prozess mit den Zwölf Schritten:
d.h. den Geist zur Ruhe kommen lassen und zu schulen; und auf mein Herz zu hören, für Klarheit und Bewusstsein zu sorgen. Heute bin ich dankbar für die Erfahrung in der Stille Kraft zu tanken und dass Gott jederzeit im Jetzt zu finden ist.
Musik liebe ich immer noch, Filme interessieren mich gar nicht mehr (schaue ca. 3 Stück im Jahr), führe ansonsten ein prachtvolles und reiches Leben.
Ablenkung und Flucht sind heute seltener die erste Wahl und Langeweile kann ich auch schon mal genießen.
– trust the process –
Satya Vadi